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Der große Pylon des Horus-Tempels von Edfu. Eine bauforscherische Untersuchung - The great Pylon of the Horus Temple in Edfu. Building Archaeology

"Der große Pylon von Edfu (ca. 110 v. Chr.) ist eines der letzten Meisterwerke der altägyptischen Architektur. Ägyptische Pylone wurden als monumentale Torbauten vom 15. Jh. v. Chr. bis in das 1. Jh. n. Chr. vor Tempeln und Gräbern errichtet. Sie bestehen aus zwei geböschten Türmen auf rechteckigem Grundriss, die ein Portal einrahmen. In Edfu steht als Teil des Horus-Tempels (237–57 v. Chr.) eines der jüngsten und größten Beispiele, hinter dessen massiv wirkender Fassade sich eine komplizierte Abfolge von Treppen und Innenräumen verbirgt, Ergebnis einer Entwicklung in der Pylonarchitektur von annähernd massiven Konstruktionen hin zu richtigen Gebäuden.Vergleiche mit älteren und zeitgleichen Beispielen ergaben, dass Pylone nach gewissen Standards entworfen wurden. So lag das Breiten-Höhen-Verhältnis der Bauten während des Neuen Reiches bei 2,5 zu 1, in der griechisch-römischen Epoche jedoch bei 2,1 zu 1. Vertikale Akzente setzten Flaggenmasten, die noch vor einigen der jüngsten Beispiele errichtet wurden. In Edfu war die Aufstellung von vier Flaggenmasten von ca. 40 m Höhe geplant, wurde aber vermutlich nie realisiert.Die 36 Innenräume des Pylons wurden lediglich zu Lagerzwecken genutzt, wobei die Nutzung Folge der Architektur war, nicht Initiator. Die Treppenhäuser in den beiden Türmen erschlossen Innenräume auf acht Geschossen und acht Zwischengeschossen. Treppen und Räume wurden durch 62 Lichtschlitze belichtet und belüftet und waren durch insgesamt 41 Türen verschließbar. Aus dem Fundament des Westturms wurden zwei Krypten mit Geheimtüren ausgespart. Diese Struktur war von außen kaum erkennbar, da die Lichtschlitze vermutlich mit stoffbespannten Holzrahmen verschlossen waren, deren Bemalung die ansonsten fehlenden Reliefs ergänzte.Der Pylon fungierte darüber hinaus als Ritualbühne. Das Dach der Pylonbrücke zwischen den Pylontürmen war das ‚Erscheinungsfenster’ der Gottheit, das einigen Baubefunden zufolge zum Vorplatz hin orientiert war. Rituale können auch auf den heute zerstörten Turmdächern stattgefunden haben; bezeugt sind sie für die Kolonnadendächer, die nur vom Pylon aus zugänglich waren. Hier ließ sich eine Planänderung nachweisen: Die beiden seitlichen Kolonnaden des Hofes mit je zwölf Säulen wurden durch zwei viersäulige Reihen im Süden ergänzt, vermutlich um Prozessionen in ostwestlicher Richtung abhalten zu können.Die Höhe und komplexe Struktur des Gebäudes potenzierten die Schwierigkeiten bei Planung und Ausführung. Diese Umstände und die Tatsache, dass die Innenwände nicht dekoriert wurden, ermöglichen einige interessante Beobachtungen zur Bautechnik. Die erforderlichen 16 000 m3 wurden aus den Steinbrüchen von Gebel es-Silsileh in regelmäßigen Blöcken gebrochen, welche von den Steinbrucharbeitern mit ihren persönlichen Zeichen markiert wurden. Deren Verteilung im Gebäude deutet auf eine gleichzeitige Errichtung beider Türme. Bemerkenswerterweise wurden die Lasten nicht mit einem Kran, sondern mithilfe von Rampen und Hilfsmauern aus Lehmziegeln transportiert, welche die beiden Türme auf allen Seiten umschlossen. Dies erforderte nicht nur große Materialmengen, sondern beeinflusste auch die Bauabfolge insbesondere der Brücke. Dieses Bauteil wurde entweder zeitweilig mit dem Gewicht der Hilfsmauern belastet oder nachträglich zwischen die bereits errichteten Türme eingesetzt. Dass die Brücke bereits einmal vorher zusammengesetzt wurde, beweisen Versatzmarken in demotischer Schrift auf einigen der Blöcke. Diese Blöcke, deren schwerster über 50 Tonnen wiegt, überspannen den Eingang in fünf horizontalen Schichten, die durch Hohlfugen voneinander getrennt sind. Diese Technik löst eines der zentralen Probleme der Pylonbrücken, von denen die wenigsten die Zeiten überdauert haben. Die Brücke von Edfu erlitt bereits während der Bauarbeiten einen Defekt, der mithilfe der verfügbaren Technik sehr aufwändig zu reparieren war.Das Portal des Pylons war über 14 m hoch und ist das erste technisch detailliert untersuchte Monumentalportal Ägyptens. Hier wurden die größten Tore der Antike errichtet, deren Konstruktion sich von der gewöhnlicher Türen nicht unterschied.Wie zu dieser Zeit Architekturdetails geplant wurden, lässt sich in Edfu anhand einiger Werkzeichnungen studieren. Sie geben die Maße beispielsweise der Hohlkehle und einiger Kapitelle des Hofes an, im letztgenannten Fall in maßstäblicher Verkleinerung, was hier zum ersten Mal für Altägypten nachgewiesen werden konnte.Die Untersuchung eines technisch aufwändigen Gebäudes aus einer Epoche, in der Ägypten zahlreichen äußeren Einflüssen unterlag, ermöglichte u. a. interessante Erkenntnisse zum Wissenstransfer. Der Einfluss griechischer Bautechnik auf die oberägyptischen Tempelbaustellen war überraschend gering. Einen anderen Eindruck erweckt der Pylon von Taposiris Magna (um 260 v. Chr.) westlich von Alexandria, der vermutlich wichtige Impulse für die Entwicklung seines Bautyps gab und einige Merkmale griechischer Bautechnik zeigt."

Author(s):  Fauerbach, Ulrike
Format:  Book
Publisher:  Universitätsbibliothek Bamberg
Publication City:  Bamberg
Date:  2009
Subject(s):